Sonntag, 10. März 2013

Emilce

Als Velofahrer meidet man wenn immer möglich die grossen Städte wegen dem chaotischen Verkehr, so auch in Bucaramanga. Darum habe ich Quartier im Vorort Floridablanca bezogen, einer angenehmen Kleinstadt, wo man auch gefahrlos des Nachts durch die Strassen schlendern kann. Ich suche Ersatz für meine zweifelhaften Pneus, was sich als schwierig herausstellt. Dafür finde ich eine Velowerkstatt eines ehemaligen Radrennfahrers. Ich erkläre ihm mein Problem mit den rutschenden Pneus, und er meint, der Grund sei das glatte Felgenband und klebt mir darum ein Kreppband darüber. Seine Werkstadt ist auchTreffpunkt der Radbegeisterten von Floridablanca, und sie wollen mich am Wochenende zu einer Velotour in die Umgebung überreden.
Ich will aber noch einmal meine Freundin in Vado Real besuchen, danach sind die Anfahrtswege einfach zu lang. So frage ich im Hotel nach, ob ich mein Velo und den grössten Teil des Gepäcks bis Sonntags deponieren kann, was natürlich kein Problem ist. Am nächsten Morgen früh mache ich mit dem Bus auf die vierstündige Fahrt zurück zu Emilce, die mich schon sehnlichtst erwartet.
Wir verbringen 3 angenehme Tage zusammen und ich entschliesse mich,  meine Velotour vorerst einmal zu unterbrechen, nach Vado Real zu ziehen und mich um Emilce und ihre Finca zu kümmern.

Dienstag, 5. März 2013

Von Villa de Leyva nach Bucaramanga

Nachdem ich in Villa de Leyva meinen Lebensmittelvorrat aufgefrischt hatte, machte ich mich auf den Weg ins Naturschutzgebiet Iguaque, welches hochandinen Urwald und Paramo unter Schutz stellt. Ich musste wieder auf etwa 3000m hoch, die letzten Kilometer extrem steil, ich konnte das Velo kaum noch schieben. Wegen Waldbrandgefahr zu Ende der Trockenzeit war der Park leider geschlossen und ich konnte mir nicht die Paramovegetation mit seinen Frailejones ansehen, schade. Übernachtet habe ich anschliessend in einem Dorf auf etwa 2600m mit ausgedehnten Kuhweiden. Gemolken wird auf der Weide mit modernen Melkmaschinen, die Kühe brauchen weder Stall noch müssen sie gefüttert werden, das ganze Jahr wächst Gras.  Die folgende Abfahrt auf etwa 1500m bringt mich durch eine eindrückliche Karstschlucht mit andinem Urwald mit Baumfarnen, wie ich sie aus Neuseeland kenne. Nun weiden Zeburinder, überall wächst Zuckerrohr eingerahmt von wunderbar rotblühenden Bäumen.

Auf einmal kommen mir zwei Velofahrer mit Radtaschen entgegen, an einem Velo prangt die Schweizerfahne. Es sind Monika + Robi  http://www.velocos.ch/, zwei Langzeittraveller die in mehreren Jahren Asien, Nord- und Zentralamerika bereist haben und nun in Südamerika angekommen sind. Es gibt so viel zu berichten, wir können uns kaum noch trennen. Sie haben zum Teil dieselbe Route im Sinn, vielleicht gibt es eines Tages ein Wiedersehen. Nach ein paar schweisstreibenden Stunden suche ich wieder einmal eine Unterkunft und finde ein hübsches Hotel mit Restaurant und Swimmingpool. Die attraktive 50jährige Besitzerin und ich sind uns sofort sympatisch, und ich verbringe 3 Tage bei Emilce. Sie ist die Wittwe eines Drogenbosses, der bei einer Schiesserei ums Leben kam. Sie hat das Anwesen geerbt, hat es nun 6 Jahre alleine weitergeführt und möchte es nun verkaufen, um ein anderes Leben führen zu können. Als alleinstehende Frau hat sie einen schweren Stand in dieser Machogesellschaft. Sie kommt ursprünglich aus Esmeraldas, dem Smaragdminengebiet Kolumbiens wo rauhe Sitten herrschten, schon ihr Vater und 3 Brüder haben dort einen gewaltsamen Tod gefunden. Von all diesen Gewaltexzessen spührt man zum Glück heute kaum noch etwas, im Gegenteil, die Kolumbianer habe ich bis heute als ausserordendlich liebenswürdige Menschen erlebt.

Nun bin ich definitiv im tropisch heissen Kolumbien angekommen. Die Temperaturen liegen nun zwischen 30 - 35, trotzdem ist es hier in Barichara nicht tschungelmässig, sondern eher eine tropische Halbwüste. Die Dörfer Barichara und Guane sehen so aus, als ob die Spanier eben erst abgezogen wären.

Für die nächsten Tage habe ich mir eine abenteurliche Strecke ausgesucht. Ich will den Cañon de Chicamocha überqueren und zwar auf alten Karren- und Saumpfaden. Leider merke ich bald, das etwas mit meinem Hinterrad nicht stimmt, es dreht irgendwie mit Unwucht und macht so reibende Geräusche von Gummi auf Gummi. Ich Pumpe, um den Druck zu erhöhen, doch das Geräusch wird noch schlimmer. Bald darauf merke ich, das das Hinterrad Luft verliert, meinen ersten Platten. Beim ausbauen des Rades sehe ich die Bescherung, bei dem teuren und vielgepriesenen Schwalbe Marathon löst sich die Lauffläche von der Karkasse, er ist nur noch Schrott und das nach vielleicht 500 Kilometern. Ich bin stinkesauer und werde mich bei Schwalbe beschweren, es kann ja wohl nicht sein, dass die Werbung einem mindesten 6000 Kilometer verspricht, unplattbar, kommt mit allen Situationen klar, und dann versagt mitten in der Pampa Südamerikas dieses Teil wegen Herstellungsfehlern seinen Dienst. Ich baue meine Reservereifen ein und weiter gehts über Stock und Stein. Endlich kommt die lange Abfahrt in den Cañon und es geht zum Teil extrem Steil runter. Plötzlich macht das Vorderrad pschui, die Luft ist draussen. Nicht schon wieder denke ich, baue das Rad und den Schlauch aus und erlebe ein neues highlight. Das Ventil ist ausgerissen, der Pneu rutscht beim Bremsen über die Felge und hat das Ventil glatt abgetrennt, diese verschissenen Schwalbepneus. Neuen Schlauch einbauen und weiter geht die 1000m Abfahrt. Etwa alle 100m kontrolliere ich den Stand des Ventils und muss bestimmt viermal die Luft ablassen, um den Pneu wieder in die richtige Position zu bringen. Mierda de puta!

Kurz vor Dämmerung erreiche ich den Grund des Cañons und das halbverlassene Dorf Jordan. Mehr als Polizeiwache, Posada und einem rudimentären Restaurant ist nichts geblieben. Und es ist heiss, mindestens 30 Grad auch nachts. Am nächsten Morgen stehe ich bei Dämmerung auf, denn ich habe einen 1000m Aufstieg vor mir und ich will möglichst die Tageshitze meiden. Mit dem Wetter habe ich Glück, es ist bedeckt, mit dem Weg weniger, den schon rasch stellt sich heraus, dass der mit Steinen belegte Weg teilweise in einem sehr schlechten Zustand ist und zudem ausgesprochen steil. Nach 5 Std. Schieben hat die Schinderei ein Ende und ich komme in Los Santos an, wo ich mir erstmal ein Mittagessen gönne. Nach einer weiteren Übernachtung erreiche ich Bucaramanga , wo für den Weiterweg allerlei zu Erledigen ist.